Grundschule Würges / Bad Camberg

Zeitungsartikel NNP

 

Die fünf Säulen der Kneippschen Lehre werden in Schule und Kita umgesetzt

15.12.2017 Foto: Petra Hackert Die Leiterin des Kindergartens „Spatzennest“, Karin Arthen, und Schulleiterin Michaela Dums zeigen: Kita und Grundschule arbeiten in Würges eng zusammen – nicht nur in Sachen Kneipp.

Die Kindertagesstätte in Würges ist schon seit einiger Zeit eine zertifizierte Kneipp-Einrichtung. „Es gab einige Hürden zu nehmen. So mussten alle pädagogischen Mitarbeiter hinter dem Kneipp-Konzept stehen und zu Kneipp-Pädagogen geschult werden“, erklärt Kita-Leiterin Karin Arthen. „Die Stadt Bad Camberg hat uns dabei sehr unterstützt.“

Kinder und Erzieherinnen legten in der Kita Kräuter- und Gemüsebeete an, in der Dusche wurde ein Kneipp-Gussrohr installiert, Fuß- und Armwannen wurden angeschafft. Außerdem erhält jedes Kind beim Eintritt in den Kindergarten ein Kneipp-Täschchen mit Massagebürste und einem Handtuch. „Das nehmen die Kinder auch mit, wenn sie in die Schule wechseln“, erläutert Schulleiterin Michaela Dums. Ein sichtbares Zeichen der Zusammenarbeit also.

Ziel beider Einrichtungen ist es, die Kinder widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen und Belastungen zu machen. „Die Lehre von Sebastian Kneipp lässt sich gut in den Alltag integrieren und ist ein wichtiger Faktor zur Gesunderhaltung der Kinder“, sagt Karin Arthen. In der Schule wird das genauso gesehen.

Schon vor zwei Jahren begannen Schule und Kita damit, das gemeinsame Konzept als „Kneipp-Tandem“ umzusetzen. Lehrer wurden fortgebildet, ein gemeinsames Kneipp-Fest organisiert. Dieses Jahr folgte die Erarbeitung eines Gesundheitskonzepts, das zur Zertifizierung vorgelegt wurde.

Jede der fünf Kneippschen Säulen ist mit bestimmten Projekten/Vorgehensweisen verbunden. Einige Beispiele:

 

  Lebensordnung: Allen Bereichen des Schulgeländes (innen wie außen) ist eine Funktion zugeordnet. So ist zum Beispiel der Schulgarten eine Ruhezone, in der gelesen, geforscht oder barfuß gelaufen werden kann. Im grünen Klassenzimmer kann auch Unterricht stattfinden.

  Kräuter und Heilpflanzen: Schon ab der ersten Klasse werden Anzuchtversuche im Klassenraum durchgeführt. Im Frühjahr säen die Kinder verschiedene Kräuter aus. Sie beobachten das Wachsen und probieren sie auf dem Butterbrot und im Quark. Das Kräuterbeet gibt den Kindern die Möglichkeit, verschiedene Kräuter kennenzulernen, daran zu riechen, sie zu probieren und mit ihnen zu kochen. Kräutertees werden im Winter und gekühlt auch im Sommer angeboten. Beim gesunden Frühstück stehen Kräuterquarks, -dips und Ähnliches auf dem Speiseplan.

  Ernährung: Schon bei der Entwicklung zur „Gesundheitsfördernden Grundschule“ wurde der zuckerfreie Vormittag eingeführt. Den gibt es nun bereits seit zehn Jahren. Hinzu kommen regelmäßige Aktionstage wie das „knochenstarke Frühstück“ oder der „Aktionstag Milch“. In den Klassen wird darauf geachtet, dass die Kinder ein gesundes Frühstück dabeihaben. An bestimmten Tagen gibt es Frühstücksbuffets, um das Thema immer wieder bewusst zu machen. In jedem Klassenraum gibt es eine Trinkstation. Die Kinder haben jederzeit die Möglichkeit, Wasser zu trinken. Die Jahrgangsstufe zwei beteiligt sich jedes Jahr am Kinder-Apfeltag der Stadt Bad Camberg und erntet auf der städtischen Streuobstwiese.

  Wasser: Kalte Armbäder sind fest in den Schulvormittag integriert. Die Wannen stehen in den Stockwerken bereit, die Kinder machen es eigenständig. Das Armbad stärkt die Abwehrkräfte der oberen Atemwege, fördert die Blutzirkulation, regt den Stoffwechsel an, fördert die Durchblutung des Herzmuskels, erfrischt bei Abgeschlagenheit und Müdigkeit, lindert Schmerzen bei Ellbogenbeschwerden.

  Bewegung: Das Außenspielgelände, Schwimm- und Sportunterricht, die Schüler-Kneipp-Olympiade, Projektwochen, Fußball-, Roller-, Fahrradtraining und die Sport-AGs (Yoga, Tischtennis, Handball, Hockey, Tennis, Fitness mit Musik) gehören zu den Angeboten. Seit einigen Jahren nimmt die Grundschule auch am „Skipping-Hearts-Programm“ teil. Das heißt, alle trainieren das Seilspringen in Bewegungsstunden und in den Pausen.

 

 

 

Kneipp macht Schule Grundschule und Kita "Spatzennest" werden für ihre Projekte ausgezeichnet

15.12.2017 Von PETRA HACKERT Kalte Güsse, Armbad, Tautreten – die Kinder machen das gerne und lernen viel dazu. Als erste Schule in Hessen wird die Grundschule Würges im Verbund mit der Kindertagesstätte „Spatzennest“ als „vom Kneipp-Bund anerkannte Schule und Kita“ ausgezeichnet. Bilder > Foto: Petra Hackert

Würges. 

Die Jungen und Mädchen haben die Hefte aufgeschlagen, üben den nächsten Buchstaben. Daniel hat gerade fertig geschrieben. Jetzt steht der Achtjährige auf. Er krempelt die Ärmel hoch, hängt beide Arme in die Wanne mit kaltem Wasser. Nach dem Eintauchen wird das Wasser kurz mit den Händen von den Unterarmen abgestreift, dann schleudert er die Arme. Das alles passiert ganz leise. Seine Mitschüler nehmen kaum Notiz davon. Für sie ist das nichts Besonderes. „Jeder kann das zwischendurch machen“, sagt Schulleiterin Michaela Dums. Das ist so, weil die Würgeser Grundschule eine Kneipp-Schule ist. Das heißt: Natürlich wird der Stundenplan erfüllt, aber zusätzlich lernen die Jungen und Mädchen im ältesten Kneippheilbad Hessens – das ist Bad Camberg – einiges über die Kneippschen Lehren. Und sie wenden sie an.

Bei Güssen und Bädern ist es so: Sie wirken anregend und belebend. Wie auch das Tautreten und der Weg über den Sinnesparcours, den die Schule in ihrem eigenen Garten angelegt hat. Jetzt ist es Winter, und da es gerade regnet, zeigen die Kinder, was drinnen alles möglich ist. Obwohl: Sebastian Kneipp wurde auch „der Wasserdoktor“ genannt. Deshalb ist ein Regentag gar nicht so „unkneippianisch“.

Auf fünf Säulen basiert die Kneippsche Gesundheitslehre, und Daniel zählt sie alle auf: Das Wasser, die Bewegung, die Ernährung, die Pflanzenheilkunde und die Ordnungstherapie. Yannik aus der vierten Klasse erklärt das so: „Das ist alles wichtig fürs Gehirn, zu Beispiel bei Mathe, da kann ich mich besser konzentrieren und habe den Kopf frei.“ Was er meint: Die vielen Tipps, wie zum Beispiel auch die Bedeutung der Bewegung an der frische Luft, helfen ihm, aufnahmefähiger zu werden.

Gute Zusammenarbeit

Das kommt alles nicht von ungefähr: Würges hat nämlich nicht nur die einzige Kneipp-Schule in Hessen. Einzigartig ist auch die sehr enge Zusammenarbeit mit dem Kindergarten. Der ist ein paar Meter entfernt, aber hin und wieder schnuppern die Kindergartenkinder Schulluft – oder eine Lehrkraft kommt in die Kita. Das ist im Austausch ganz normal. Diese Zeitung hatte einige Grundschüler gebeten, über ihre Erfahrungen zu sprechen, und schon kam die Frage nach den Kindergartenkindern auf. Sie wollten dabei sein und können gut erklären, wie die Zusammenarbeit funktioniert.

Die fünf Säulen der Kneippschen Lehre werden in Schule ...

Die Kindertagesstätte in Würges ist schon seit einiger Zeit eine zertifizierte Kneipp-Einrichtung. „Es gab einige Hürden zu nehmen. So mussten alle pädagogischen Mitarbeiter hinter dem Kneipp-Konzept

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Leonard und Jacob wissen schon, dass das Armbad das Immunsystem stärkt. Ein schweres Wort für Kita-Kinder. Wir fragen nach: Was bedeutet das? „Wir haben doch Zellen in unserem Körper, die gegen Krankheiten arbeiten. Das hilft dem ganzen Blutkreislauf“, fasst Jacob zusammen. Kiara ergänzt: „Man kann auch Kniegüsse machen, das tut auch gut.“ Tautreten hilft da auch, weiß Ida. Sie macht das besonders gerne gemeinsam mit allen anderen auf der Schulwiese. Aber: „Das ist schwierig, weil da manchmal die Hunde hinmachen“, sagt Ida. Ihre Lehrerin Christel Elsäßer ergänzt: „Wenn wir sehen, dass da alles voller Tretminen ist, fällt das Tautreten aus.“

Täschchen für alle Kinder

Die Kinder rümpfen die Nase. Auch die vom Kindergarten. Sie haben nämlich Glück: „Unsere Wiese hat einen Zaun“, erklärt Leonard. Kindergartenkinder können also ganz leicht tautreten. „Wenn wir in die Schule kommen, wollen wir das aber auch“, sagen sie bestimmt. Vielleicht brauchen sie noch einen Zaun? Oder Hundebesitzer, die die Tretminen entfernen. „Das ist ein altes Problem, auf das wir immer wieder hinweisen“, sagt Schulleiterin Michaela Dums.

Doch es gibt natürlich viel mehr Gutes als Probleme in der Kneipp-Schule. Etwas besonders Feines ist das Kneipp-Täschchen. Kiara holt ihres und zeigt: In dem kleinen Baumwollbeutel sind ein Waschlappen und eine kleine Bürste. „Die brauchen wir für die Bürstenmassage“, erklärt Kiara. Weitere Kinder holen ihre Täschchen, und zu dritt wird gezeigt, wie man mit der Bürste die Arme entlang streicht und so die Durchblutung fördert.

Und was fällt ihnen noch zu Kneipp ein? „Die Kräuter“, sagt Fynn. Er zeigt auf einen kleinen Tisch in der Ecke der Klasse. Zwei Kannen Tee stehen darauf und fünf kleine Döschen. Das ist zum Raten. Er öffnet eines und riecht. Sehr schwer. Thymian ist drin. Das zweite Döschen ist auch nicht einfach: Majoran. Pfefferminz würde er leichter erkennen. Außerdem haben die Kinder schon Brennnesseln gegessen. Tut das denn nicht weh? Kiara erklärt: „Wir haben ein Zewa genommen und die Blätter damit gerieben. Danach haben wir sie auf ein Brot mit Frischkäse gelegt.“ Und wer hat ihr das beigebracht? „Meine Freundin Marialla“, sagt sie. Jetzt muss die Lehrerin lachen. Denn Marialla hat das auch schon in der Schule gelernt. Ein kleiner Kneipp-Kreislauf. So ist das auch gedacht. „Unsere Eltern haben da auch schon etwas von uns gelernt“, sagt Pascal. Viele nicken jetzt. Ja, sie wenden das auch zu Hause an. Und: „Wir haben auch schon Löwenzahngelee gegessen.“ Das war nicht nur besonders lecker, sondern auch ganz schön schwierig. Die Blumen hatten sie auf der Schulwiese gefunden, die Köpfe eingesammelt und dann alle gelben Blätter einzeln abgezupft. Daraus wird dann die Marmelade gemacht. Und die schmeckt!

Die Kinder wissen noch viel mehr. So gibt es in der Schule zuckerfreies Essen, und natürlich wird auch auf das Trinken geachtet: Jede Menge leckere Teesorten und Wasser gibt es anstelle zuckerhaltiger Süßgetränke. Ernährung, Bewegung, Wasser, Kräuter – jetzt haben wir schon vier Säulen der Kneipptherapie erkundet. Und die fünfte, die Ordnung?

Lebensordnung braucht jeder. Sie gibt Struktur im Alltag, und die Kinder lernen, dass man sich auf etwas verlassen kann. Wie zum Beispiel das gemeinsame Singen. Damit beginnt jeder Montagmorgen im Advent. Außerdem üben sie gerade die Lieder für den großen Tag, den heutigen Freitag. Dann wird die Schule nämlich als erste Schule in Hessen gemeinsam mit dem im Verbund arbeitenden Kindergarten „Spatzennest“ als „vom Kneipp-Bund anerkannte Schule und Kita“ ausgezeichnet. Ein großes Fest, auf das sich alle freuen.

Wie wichtig Ordnung im Schulalltag ist und was man „so nebenbei“ lernen kann, wenn man es richtig macht, zeigen dann noch Schulsprecher Yannik und Jacob, der Klassensprecher der vierten Klasse: In der Schule gibt es eine Einmaleins-Treppe. Zehn Stufen, beschriftet mit den Zahlenreihen, die man so Schritt für Schritt lernen kann. Die beiden setzen sich auf die Treppe und zeigen: So werden sie die Zahlen bestimmt nicht mehr vergessen. Ein gut sichtbares Stück Lebensordnung.